Traditionell organisiert die Dorfjugend Lehnstedt zu Pfingsten jedes Jahr das Pfingstbaumpflanzen. Und zwar schon seit mehr als 80 Jahren – die ältesten Einwohner haben schon selbst als Jugendliche mitgemacht.




Die Dorfjugend Lehnstedt besteht derzeit aus etwa 30 Jugendlichen. Viele Wochen vor dem eigentlichen Fest beginnt die Jugend mit der Arbeit. Mitmachen kann jeder Lehnstedter, der konfirmiert ist (bzw. das entsprechende Alter erreicht hat), unter 30 Jahre alt ist und unverheiratet. Früher wurden diese Bestimmungen sehr ernst genommen (da war es schon mit der Verlobung vorbei!), heute sieht man das nicht mehr so eng. In alten Zeiten machte man mit, wenn man aus der Schule kam, das war nach 8 Jahren Schulzeit mit etwa 14 Jahren. Manche Lehnstedter konnten nie an diesem Dorffest teilnehmen, da sie nach Schulende gleich in einem anderen Ort „in Stellung“ gingen. Jedes Jahr am Pfingstsamstag wird auf dem Brink, dem Dorfplatz mitten im Ort, ein geschmückter Baum von ca. 20 Metern Länge aufgestellt. Dies geschieht um 19:30 Uhr, und zwar von Hand. Während viele andere Dörfer schon lange den Trecker dafür zu Hilfe nehmen, wird das Aufstellen in Lehnstedt noch immer mit Muskelkraft vollbracht. Keine leichte Aufgabe.



Der Baum wird seit Jahren von Familie Steilen gestiftet. Die Fichte erhält dann eine Birkenkrone sowie 2 Kränze aus Tannen gebunden und eine lange Tannengirlande um den Stamm. Der Baum wird mehrfarbig geschmückt, ganz oben hängt die deutsche Fahne. Außerdem wird ein Stahlschutz gegen das mutwillige Absägen angebracht. Seit Jahrzehnten gibt es nämlich eine Art Wettkampf mit einem Nachbardorf: Als der Schutz vor Jahren einmal vergessen wurde, lag der Baum schon 2 Tage später wieder am Boden !



Zum Aufstellen des Baumes stellen sich viele Schaulustige ein. Sie erleben anschließend eine kurze Ansprache des Vorsitzenden, dann ein Ständchen der Jugend, und schließlich beginnt die Amerikanische Versteigerung des Pfingstbaumes.

Jupp Klawitter versteigert den Pfingstbaum (1986)

Jupp Klawitter versteigerte insgesamt 42 Jahre lang den Baum. Ihm lag das Versteigern sehr, seine kräftige Stimme sowie die Tatsache, möglichst viele Zuschauer persönlich zu kennen verhalf zu so manchem guten Gebot. Immo Fleischer hat 2006 dieses Amt übernommen und macht sich sehr gut. Auch er bringt den Vorteil mit, mindestens das halbe Dorf zu kennen. In früheren Zeiten waren als Versteigerer auch aktiv: Eimer Illjes, Theodor Kohlhoff, Herbert Brünjes, Hans Knaak.

Im Anschluss an die Versteigerung gibt es Tanz in der Scheune in der Waldstraße Nr.1 (bei Schlüterbusch). Traditionell spielt hier jedes Jahr noch immer eine Live-Band und sorgt für Stimmung bis in die Nacht. Es werden mehrere Hundert Gäste erwartet. Die Scheune bietet eine urige Atmosphäre mit Birkenbusch und Holzparkett. Die Band hat auf einem Anhänger ihren Platz. Biertheke, Sektbar, Fuselbar, auch schon einmal Tequilabar oder Cocktailbar im Zelt mit Strandatmosphäre, die Veranstalter denken sich immer wieder Neues aus. In alten Zeiten fand die Feier an wechselnden Plätzen statt: Ganz früher tanzten die jungen Leute bei Wilkens auf der Diele (heute Dieckmann), lange Jahre war die Feier auf Specketers Diele (heute Grete Schmidt), in Pauls’ Scheune waren die ersten auswärtigen Gäste dabei. Auch bei Ficken, Neuenhausen (sowohl Heuboden als auch Diele), Semke, Tietjen, Nührenberg (Glander) oder bei Hahlbom (Lübsen) soll die Feier schon gewesen sein. Sogar das Dorfgemeinschaftshaus wurde schon einmal hierfür angemietet, doch in dem modernen Ambiente wollte keine rechte Stimmung aufkommen.



Der große Pfingstbaum hat in jedem Jahr viele kleine Ableger, immer zwischen 15 und 20 Bäume. Jeder Dorfbewohner, der neu zugezogen ist, Richtfest gehabt hat, grüne Hochzeit hatte, Silberhochzeit oder Goldene Hochzeit, der bekommt einen kleinen geschmückten Pfingstbaum von ca. 8 Metern Länge vor seine Haustür gepflanzt. Diese Bäume werden natürlich auch „begossen“. Die Dorfjugend fährt gut gelaunt mit einem bunt geschmückten Wagen von Baum zu Baum und singt ein Lied. Als Lohn für den herrlichen Gesang gibt es meist Leckereien in flüssiger Form für die Weiterfahrt. Jeder, der einen kleinen Pfingstbaum erhält, hat auch freien Eintritt in die Scheune. Besonders für neu Zugezogene ist diese Feier oft ein gelungener Start ins Dorfleben. Das Pfingstbaumpflanzen endet traditionell am Pfingstsonntag mit einem Frühschoppen.


Der Brink ist schon immer Aufstellort für den Pfingstbaum gewesen. In Kriegszeiten jedoch fand kein Pfingstbaumpflanzen statt, 1939 zuletzt, dann erst wieder nach dem Krieg ca. 1950. Damals gab es in Lehnstedt sehr viele Flüchtlinge, die auch ihre Traditionen wahren wollten: Sie haben am 1. Mai einen eigenen Baum gepflanzt, mit einem Tau daran. Der Maibaum musste allerdings bis Pfingsten wieder verschwinden, dann war die heimische Jugend dran. In alten Zeiten wurden die Pfingstbäume traditionell im Düngel geklaut. Einmal lag der Förster mit der Flinte auf der Lauer. Da hatten die jungen Leute Mühe, den Baum über viele Umwege auf dem Buckel aus dem Wald zu schleppen. Beim Baumklau hat es mal einen Unfall gegeben: Icke (aus Berlin zu Besuch) trug den Baum auf der linken Schulter, alle anderen rechts. Als der Förster kam und es „Wegschmeißen!“ hieß, landete Icke unsanft im Gehölz. Als der Klau zu riskant wurde hat man den Pfingstbaum bei Steilen gekauft. Meist zum günstigen Preis, nachdem einige Gläser eingeschenkt worden waren. Die Natur hatte es wirklich nicht leicht damals, denn auch alle Höfe wurden zu Pfingsten geschmückt, mit Birkenbusch. Das Brauchtum der Pfingstbäume soll angeblich auf die Germanen zurückgehen, die im Frühjahr junge Birken vor die Haustür gestellt haben sollen, um damit böse Geister zu vertreiben.

Zum Tanz spielten früher verschiedene Musiker mit Geige und Trompete: Jan Semke, Alfred Behrens, Heini Behrens, Martin Redeker und Heinz Kemena. Als die Feier größer wurde kamen die Bands, das waren z.B. Die Wombels, MS Enterprise, MS Combo, Happy Swingers, Chevalier, Mainstreet, All Around, Night-X-Press, Paperback und in den letzten Jahren Tres Chic. Im Jahre 2017 gab es zum ersten Mal keine Band mehr, sondern DJ Luca (aus Lehnstedt) legte auf.

Der Baum wurde lange Jahre bei der Gaststätte „Zur Eiche“ geschmückt und dann auf den Schultern zum Brink getragen. Bis in die 1970er Jahre hat man das noch gemacht, jetzt erspart man sich diese Mühen, der Baum wird am Brink geschmückt. Die Ständchen wurden früher zu Fuß gebracht. Grete Specketer spielte dazu unterwegs Akkordeon. Erst ab Ende der 1950er wurden die Bäume mit Trecker und Anhänger verteilt. Auf dem Wagen gab es manchmal auch Musikanten: Die Wombels, Sabine Steilen, Birgit Lübsen oder Markus Becker.

Organisatoren, also Vorsitzende der Dorfjugend waren in der Vergangenheit zum Beispiel:
Eimer Illjes
Heinz-Jürgen (Jupp) Klawitter
Henry Otten
Dieter Stolz
Jürgen Schlüterbusch
Rüdiger Wessel
Steffen von Öhsen
Thomas Illjes
Jost Klawitter
Christian Baumgarth
Steffen Baumgarth, Roland Kister, Benjamin Pauls

Heute hat den Vorsitz der Dorfjugend Janos Schlüterbusch.

Ersteigert wurde der Pfingstbaum in den letzten Jahren von:
2006: Uwe Palait
2007: Thomas Illjes
2008: Erck Baumgarth
2009: Jürgen Petersen
2010:Benjamin Schorling
2011: Gerd Mehrtens
2012: Bodo Pauls

2013: Martina Kursawsky

2014: Thomas Kosak

2015: Marcel Buerschaper

2016: Steffen Baumgarth

2017: Bernd Hirschhausen

Wer den Pfingstbaum ersteigert, der darf sich nicht nur über das Holz freuen, sondern auch über eine kleine Feier, die stattfindet, wenn die Dorfjugend den Baum ein paar Wochen später zu ihm nach Hause bringt. Für die viele Arbeit zu Pfingsten belohnt sich die Dorfjugend außerdem jeden Sommer mit einer Nachfeier. Oder mit Fahrten zu verschiedenen Festen mit dem eigenen Erntewagen, der im Jahre 2015 angeschafft wurde.